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 Jesus drückt seine Vorliebe für jene, die in diesem Geist der Kindheit und im Schutz eines Engels leben, der ununterbrochen des Vaters Antlitz schaut, deutlich aus.

Das ist auch nicht überraschend, da wir durch die Taufe in die Gotteskindschaft aufgenommen werden, die uns zu Adoptivkindern des Vaters macht, nach dem Ebenbild des Ewigen Sohnes: "Ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind" (Röm 8,15-16).

Diesen Zustand der göttlichen Kindheit hat Van besonders intensiv erlebt. Dies bezeugt er mehr noch durch sein Leben als durch seine Schriften. Er ist sicherlich nicht der einzige, und wir dürfen dem Urteil der Kirche nicht vorgreifen, aber mir scheint, dass wir Vans Worten über die geistliche Kindheit Gehör schenken und seine Werke zur Kenntnis nehmen dürfen. Ihm wollen wir Gehör schenken, denn "man redet nicht im Namen der Kindheit, sonst müsste man ihre Sprache reden (Bernanos: Les grands cimetières sous la lune). Es ist die Sprache des kleinen Van, die wir einige Augenblicke vernehmen wollen. Erst wollen wir einige Eigenarten dieses Geistes der Kindheit hervorheben, dann einige Aspekte des Lebens in der Haltung der geistlichen Kindschaft prüfen. Dieser Geist ist ein besonderes Zeichen der Heiligkeit, zu der jeder Christ berufen ist, jeder nach einer einmaligen Art. An dieser Stelle möchte ich nochmals Bernanos zitieren: "Unsere Kirche ist die Kirche der Heiligen (...) Man wünschte, sie wären Greise, voll Erfahrung und Weisheit, doch die meisten sind Kinder (...) Der hl. Benedikt mit seinem Raben, der hl. Franziskus mit seinem Heiligenschein und seinen provenzalischen Versen, Johanna mit ihrem Schwert, Vinzenz mit seiner armseligen Soutane und die Letztangekommene, so eigenartige, so geheimnisvolle (...), mit ihrem unvergleichlichen Lächeln: Therese vom Kinde Jesu"(Jeanne relapse et sainte).

Wie Therese scheint auch Van nur sein Lächeln anbieten zu können, und vielleicht ist das auch das einzige Geschenk der Kinder. In den Gesprächen sagt er zu Jesus: "Ich bin überzeugt, dass mein mit Tränen vermischtes Lächeln dir grosse Freude bereitet" (Gespräche 287). Das Geheimnis der Heiligkeit durch die Kindheit stellt für die Erwachsenen eine beträchtliche Schwierigkeit dar. Ein Paradoxon des christlichen Lebens besteht darin, dass der reifste Erwachsene am meisten Kind sein muss. Als erwachsen gilt im allgemeinen die Person, die selbstständig handelt und die Geschicke ihres Lebens selbst in die Hand nimmt. Dies stimmt, von der menschlichen Natur und der natürlichen Planmässigkeit aus gesehen. Im Christentum ist aber das Gegenteil wahr. "Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen", sagt Jesus (Joh 15,5), d.h. euch selbst überlassen bringt ihr nichts zustande, oder fast nichts, jedenfalls nichts im Bereich des göttlichen Lebens, nichts auf dem Weg zu eurer persönlichen Heiligung. Der Geist der Kindlichkeit besteht vorerst in der Erkenntnis, dass wir auf der Ebene des göttlichen Lebens nichts besitzen, was uns gehören würde. Jesus sagt zu Van: "Wer ist im Vergleich zur Liebe geistig nicht schwach?" (Gespr. 458) Das ist der Geist der Armut im Sinne der Demut: Das Kind ist arm, weil es nichts besitzt und alles, was es braucht, gratis bekommen muss. Jesus sagt in den Gesprächen zu Van:"Du wirst immer arm und elend bleiben, weil du absolut nichts besitzt" (Gespr. 629). "Du musst dich stets als arm und in jeder Hinsicht bedürftig zeigen". Deshalb ist es für einen Reichen schwerer, in den Himmel zu kommen, als für ein Kamel, durch ein Nadelöhr zu gelangen. Auch deshalb betrifft die erste Seligpreisung eben diese Armut:"Selig die Armen im Geiste, denn ihnen ist das Himmelreich" (Mt 5,3). Die geistige Kindheit ist die Haltung jener, die die Seligpreisung der Armen im Geist in ihrem Leben verwirklichen, jener, die sich alles vom Vater im Himmel, unserem Vater, schenken lassen.

Ihr habt wohl verstanden, dass das Himmelreich Gegenstand der Verheissung ist, des Reiches, das schon durch Jesus mitten unter uns ist: "Wenn ihr nicht wie die Kinder werdet, werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Selig die Armen im Geiste, denn ihnen ist das Himmelreich". Dieses Reich, das Leben in Gott, in der Intimität der drei göttlichen Personen, ist das den Kindern, den Adoptivkindern, die wir sind durch die Taufe, verheissene Erbe.

"Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und sind Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden"
(Röm 8,17). Jesus hat Van nichts anderes gesagt: "Dank meiner unendlichen Verdienste gehört dir das Himmelreich schon (..). Das Himmelreich gehört dir schon wahrhaftig, aber die Macht, dir dieses Himmelreich zu geben, gehört Gott dem Vater, so dass du immer erkennen musst, dass du arm und in jeder Hinsicht bedürftig bist. Durch diese Haltung zwingst du den Vater, Mitleid mit dir zu haben, und dir alles zu gewähren aus Mitleid mit dir. Das ist die auf der Demut beruhenden Armut, die ich selbst auch praktizieren muss"(Gespr. 629).

Vielleicht wird im Leben eines jeden Heiligen diese oder jene Seligpreisung besonders hervorgehoben. Mir scheint, dass bei Van die Seligpreisung der Armut im Geist, die Seligpreisung der Kinder Gottes, an erster Stelle steht.

Während Exerzitien schreibt er:"Nach eingehender Seelenerforschung konnte ich nur feststellen, dass mein Herz seine frühere Schlichtheit und Reinheit bewahrt hat" (Brief an Vater Boucher vom 26.05.1051). Daher seine häufigen Anspielungen auf seine Schwachheit, seine Unzu- länglichkeiten, die ihm jedesmal Gelegenheit boten, sich auf Christus zu stützen oder den Vater anzurufen. Es ist auffallend, wie sehr sich in Vans Leben die Worte des hl. Paulus bewahrheiten:"Der Herr aber antwortete mir: Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit. Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Aengste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark" (2. Kor 12,9-10). Van drückt sich wie folgt aus:"Ich halte an der Ueberzeugung fest, dass das kranke Kind das Vorrecht geniesst, am nächsten bei seiner Mutter zu sein. So ist auch die schwache Seele am nächsten beim Herrn. Deshalb freue ich mich meiner Schwachheit um so mehr" (Brief an Vater Boucher vom 26.05.1951). An dieser Stelle sei hervorgehoben, dass die Schwachheit nicht einigen vorbehalten ist. Gewiss, Van war in mancher Hinsicht besonders schwach und das machte seine Schwachheit augenscheinlich, gewinnbringend, aber das gilt für einen jeden, ungeachtet der Einstellung der Erwachsenen und Selbstsicheren. Der Geist der Kindheit lädt uns alle ein, unsere persönlichen Schwächen zu erkennen und statt Selbstbemitleidung uns ihrer zu bedienen, um aus der Kraft Christi zu leben. "Da ich sehr schwach bin, bin ich gewiss, dass ich mich unmöglich selbst verteidigen kann" (Brief an Vater Boucher vom 18.o9.1054). Dieser Schwachheit eines jeden will Jesus sich bedienen:"O mein Kind, opfere mir diese Schwächen auf, damit ich mich ihrer bediene, um die Flamme der Liebe in deinem Herzen zu unterhalten" (Gespr. 118). Von Van sei gesagt, was in jeder Hinsicht auf Therese vom Kinde Jesu zutrifft, und zwar, dass es in ihm keine Geziertheit gibt, dass der Geist der Kindheit nichts gemein hat mit Kinderei. Im Gegenteil, es geht grosse Kraft von ihm aus, wenn man seine Autobiographie oder seine anderen Schriften liest. Es ist die Gnade, die in ihm die Verwandlung menschlicher Schwachheit in göttliche Stärke, von der der hl. Paulus spricht, bewirkt. Es ist nicht so sehr das Ergebnis der Ausübung heroischer Tugenden, obwohl seine Tage voll kleiner Opfer waren. Es ist vielmehr das Werk der Gnade, die sich dieser kleinen Opfergaben bedient, um sie von der Macht der Gegenwart Christi durchdringen zu lassen, so wie in dieser Weihnachtsnacht 1940 das Leiden, in Vereinigung mit dem Leiden Christi, durch die Gnade in Freude verwandelt wurde.

Das Korollarium der Erkennung der eigenen Schwachheit im Geist der Kindheit gibt Van uns fortwährend in seinen Worten und Taten zu erkennen: Es ist das Vertrauen, mit dem er sich Christus und dem Vater hingibt. Kind sein heisst, nichts zu besitzen und spontan natürlich alles von seinen Eltern, die nicht enttäuschen können, zu erwarten. Van wirft sich sein Leben lang vertrauensvoll in die Arme des Vaters, Christi, der Jungfrau Maria... In den Gesprächen festigt Jesu dieses Vertrauen fortwährend: "Habt Vertrauen in mich und ihr werdet nie, niemals von mir getrennt werden. Sogar der Teufel muss an einer Seele verzweifeln, in der es noch das Wort 'Vertrauen' gibt" (Gespr. 648). Und weiter:"Kleiner Apostel meiner Liebe, nichts kann mich mehr schmerzen als zu sehen, dass man kein Vertrauen zu mir hat" (Gespr. 97). Seiner Schwester Anne-Marie Tê schreibt er:"Bemühe dich, deine grosse Schwachheit zu nutzen, um dich zu heiligen. Liefere dich vertrauensvoll Jesus aus, wie ein kleines Kind, das nicht einen Schritt aus eigenen Kräften zu tun vermag. Sei wie ein schwacher Zweig, der eines Tages ebenfalls Blüten treiben wird. Ja, vergleiche dich mit diesem schwachen Zweig und du wirst erfahren, dass Jesus dich eines Tages prächtig schmücken wird unter der Voraussetzung, dass du mit ihm eng verbunden bleibst wie der Zweig mit dem Baum" (Brief an Tê vom 3.06.1951).

Vielleicht wird angenommen, dass Van Zuflucht in das Vertrauen zu Gott genommen hat, weil er so schwer unter elenden Lebensbedingungen, einem entarteten Vater und sogar Verletzungen durch seine Mutter gelitten hat. Es ist aber eher das Gegenteil, das zutrifft, denn in dieser Armseligkeit, die ein Hindernis auf dem Weg zum Vater und der Mutterschaft Mariens hätte sein können, wirkt sich die Macht der Gnade im Herzen eines armseligen Kindes aus. Im Elend von Van, einem Sinnbild der verunglimpften, verratenen, veräusserten Kindheit, kommt im Gegenteil die absolute Unentgeltlichkeit der Liebe Gottes voll zum Ausdruck.

Eine Frucht der Hilflosigkeit, des Vertrauens in Gott, das das Merkmal dieses Geistes der Kindlichkeit ist, ist die Freude, diese göttliche, manchmal mit Tränen vermischte Freude, die auf Vans Gesicht dieses kaum weniger geheimnisvolle Lächeln als das Theresens erblühen lässt. "Die barmherzige Liebe", sagt Thomas von Aquin, "erzeugt notgedrungen Freude. Der der liebt, erfreut sich stets der Gemeinsamkeit mit dem Ge- liebten" (Summa theologiciae Ia IIae, 9.70,a3c). Das trifft sogar auch auf das Leiden zu. Bernanos hat das wohl verstanden und legt in seinem "Tagebuch eines Landpfarrers" einer der Hauptfiguren, dem Pfarrer von Torcy, folgende Worte in den Mund: "Wie ist es zu verstehen, dass die Zeit unserer ersten Kindheit uns so sanft, so strahlend vorkommt? Ein Kind hat Nöte wie alle anderen auch und es ist doch so hilflos gegen den Schmerz, die Krankheit? Die Kindheit und das hohe Alter müssten als zwei schwere Prüfungen des Menschen angesehen werden. Aber dieser Hilflosigkeit entnimmt das Kind in aller Schlichtheit die Essenz seiner Freude. Es beruft sich auf seine Mutter (...) Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, sein ganzes Leben, das ganze Leben liegt in einem Blick und dieser Blick ist ein Lächeln (...). Die Kirche wurde vom lieben Gott beauftragt, in der Welt diesen Geist der Kindlichkeit, der Treuherzigkeit, der Frische aufrechzuerhalten (...) Die Kirche verfügt über die Freude, die ganze Freude, die dieser traurigen Welt vorenthalten ist." Das bezeugte Van mit seinem Leben, als Bernanos, Theresens Freund, diese Worte schrieb. Die Antwort auf die heutige Traurigkeit, ist die aus der Barmherzigkeit hervorgehende Freude. Diese Lehre erteilt uns Van.

Schwachheit, Vertrauen, Freude, das sind einige Schlüsselworte, oder vielmehr einige Eigenarten des bei Van so tiefen Geistes der geistlichen Kindschaft. Beachten wir jetzt drei Aspekte dieses vom Geist der Kindlichkeit geprägten Lebens und zuerst die Frage, welche Stelle das Gebet in Vans Leben einnimmt.

Bei der Lesung der Autobiographie von Van und der "Geschichte einer Seele" von Therese vom Kinde Jesu entdecken wir ein Leben, in dem das Gebet allgegenwärtig ist. Es ist fast ein ununterbrochenes Gebet in der Schlichtheit, die nur der Kindheit zu eigen ist. Van vertraut Jesus alles an, die Leiden und Freuden, die grossen und die kleinen, die Kleinigkeiten des Alltags. Sein Leben läuft ganz unter Jesu Blick ab. Es ist ein Leben göttlicher Freundschaft mit dem göttlichen Freund. Dieses Gebet, das das Leben einhüllt und erhellt, gleicht dem Atmen der Seele in ihrem geistlichen Leben. Wie seine Schwester Therese lehrt uns Van die Einfachheit des Gebets. Wie alle Anfänger, lässt er sich zu Beginn seines geistlichen Lebens zu heroischeren Taten hinreissen, zu Abtötungen und Opfern, aber Jesus lehrt ihn eines Besseren, indem er ihn ersucht, die Vorschriften der Ordensregel zu befolgen und vor allem die beständige Gegenwart, das fast spontane Gebet, weiterhin zu üben:"O mein Kind, sagt Jesus zu ihm, "beschränke dich darauf, wie ein ganz Kleines mich anzusehen. Dann werde ich bis auf den Grund deines Herzens schauen, noch besser als die Mutter das Herz ihres Kindes durchschaut" (Gespr. 122).Das ist übrigens eine der Lehren, die Therese ihm während einer ihrer Unterhaltungen erteilt:"Fürchte dich nicht, so vertraut mit dem Lieben Gott wie mit einem Freund umzugehen. Wenn du ihn Vater nennst, musst du dich auch wie sein Kind benehmen. Erzähle ihm was du willst. Du kannst ihm alles erzählen, was du willst (Knicker, Hänseleien, Welt...); Gott gefällt es, zuzuhören, ja, es dürstet ihn vielmehr nach diesen kleinen Geschichten, mit denen die Menschen allzu sehr geizen" (Auobiographie 601).

Geben wir ein Beispiel dieses so einfachen Gebets, das seinem Geist der Kindlichkeit entspringt, und auf die Zeit kurz nach der Begnadigung am Heiligabend 1940 zurückgeht. Van ist dreizehn und aus Huu-Bang geflohen, wohin er einige Monate später zurückkehrt. Er ist Ochsenhüter, und um die Gemeinheit seiner Gefährten zu meiden, erfindet er eine Prozession auf dem Rücken eines Ochsen."Ich führte also meinen Ochsen abseits zur Weide und versuchte mich der Muttergottes zuzuwenden. Mit meinem Ochsen allein gelassen, bestand mein grösstes Vergnügen in der Organisation einer neuartigen Prozession. Ich teilte das Feld in mehrere Abteilungen ein und schmückte meinen Ochsen bestmöglichst mit bunten Blumensträussen zwischen den Hörnern. Dann kniete ich auf seinem Rücken und liess ihn langsam am Rand des Reisfeldes weiden, indem ich ein Muttergottesbild in der Hand hielt und laut den Rosenkranz betete. Wenn der Ochse nach zehn Gegrüsset seist du Maria die für die nächste Reihenfolge vorgesehene Abteilung nicht erreicht hatte, stand ich auf dem Rücken des Ochsen aufrecht und sang ein Muttergotteslied. Gewöhnlich dauerten diese Prozessionen zwei bis drei Stunden, aber ich fühlte mich nie müde. Wenn der Ochse satt war, unterbrach ich die Prozession und führte ihn zurück in den Stall" (Autobiographie 601).

Die Arglosigkeit dieses Verhaltens mag uns ein Lächeln abgewinnen, aber sie ist der Kindheit eigen. Man ahmt einen Heiligen nicht förmlich nach, aber es ist das, was er zu leben versucht, was uns eine Lehre ist. Hier sind wir in Gegenwart der Einfachheit, der Unbefangenheit und auch der Findigkeit eines Kindes, das sich an seine Mutter wendet. Ich habe dieses Beispiel ausgewählt, weil Georges Bernanos in seinem "Dialog der Karmelitinnen" sechs oder sieben Jahre später eine Episode beschreibt, die sich stark daran anlehnt. Die Szene spielt zwischen der alten Priorin des Karmels von Compiègne und der jungen Novizin Blanche, die den Geist der Kindlichkeit versinnbildlicht. Die junge Schwester glaubt, in den Karmel eingetreten zu sein aus einem Hang zu einem heroischen Leben. Die Priorin aber belehrt sie eines Besseren:"Nein, meine Tochter, wir sind keine Abtötungs- oder Tugendbewahrungsanstalt, sondern ein Haus des Gebets. Nur durch das Gebet ist unser Dasein berechtigt. Wer nicht an das Gebet glaubt, kann uns nur für Betrüger und Schmarotzer halten (...) Ist es nicht ein eigenartiger Widerspruch, dass die Menschen an Gott glauben und gleichzeitig so wenig und so schlecht zu ihm beten? Sie erweisen ihm nur die Ehre, ihn zu fürchten. Wenn der Glaube an Gott universal ist, muss es dann für das Gebet nicht das Gleiche sein? Nun, meine Tochter, Gott hat es so gefügt, nicht indem er aus dem Gebet auf Kosten unserer Freiheit ein Grundbedürfnis wie das des Stillens von Hunger und Durst machte, sondern indem er zugelassen hat, dass wir füreinander beten können. Auf diese Weise ist jedes Gebet, und sei es das des kleinen Hirten, der seine Tiere hütet, das der ganzen Menschheit."

Das was der kleine Hirte ab und zu durch die Regung seines Gemüts tut, müssen wir Tag und Nacht tun. Nicht weil wir hoffen, besser als er zu beten. Im Gegenteil! Wir verbringen unser ganzes Leben damit, diese Schlichtheit der Seele, die zarte Hingabe an die göttliche Majestät, die bei ihm momentane Eingebung ist, eine Gnade, wie die Erleuchtung eines Genies, zu erwerben oder wiederzufinden, wenn wir sie besassen, denn sie ist eine Gnade der Kindlichkeit, die in den meisten Fällen die Kindheit nicht überlebt.... Wenn die Kindheit vorbei ist, muss während langer Zeit gelitten werden, um sie wiederzuerlangen, wie den Sonnenaufgang am Ende der Nacht. Bin ich wieder Kind geworden?

Was Van, der kleine Hirte, uns sagen will, ist, diese Kindheit im Alter nicht zu verlassen. Es ist genau das, was Gott in uns verwirklichen will durch seine Gnade, unter der Bedingung, dass wir nicht als Erwachsene vor ihn treten. Das Gebet ist ein vorzügliches Mittel, um diesen Geist der Kindheit zu bewahren.

Ein zweiter Aspekt des Lebens im Zeichen der Kindheit ist, dass es sich in der Gemeinschaft der Heiligen abspielt. Die Gemeinschaft der Heiligen wird oft als Stiefkind des chistlichen Glaubens behandelt. Und dennoch schneiden wir uns von einem ganzen Teil der Kirche ab, wenn wir die Heiligen und die Engel vergessen, d.h. den Teil der Kirche, der am schönsten ist, weil er schon in der Herrlichkeit Gottes ist. Was uns mit ihnen verbindet, ist beachtlich: Wie wir, sind sie nur Adoptivkinder Gottes, aber leben schon im verheissenen Erbe, dem ewigen Leben, dem wir auf Erden im Kampf der "streitenden Kirche", wie es im Mittelalter hiess, nur vorgreifen können. Wir leben im Glauben an das, was sie schon schauen, aber der Gegenstand des Glaubens und der ewigen Schau ist Gott selbst. Die glorreiche Kirche, auf die wir zugehen, ist uns gegenüber keineswegs gleichgültig: Sie handelt für uns und tritt für uns ein, sie erleuchtet uns auf unserem Pilgerweg durch die Nacht des Glaubens. Sagte Therese vom Kinde Jesu nicht:"Ich werde meinen Himmel damit verbringen, Gutes auf Erden zu tun?" Die Kirche, die eine Kirche, die pilgernde Kirche auf Erden, bildet in Vereinigung mit der Kirche im Himmel die Gesellschaft (oder Gemeinschaft) der Söhne Gottes, d.h. der Kinder Gottes. Wir sind alle Kinder des gleichen Vaters und deshalb sagen wir "Vater unser", so wie wir am Kreuz Christi die gleiche Mutter unseres göttlichen Lebens, Maria, erhalten haben: "Dies ist deine Mutter, dies ist dein Sohn", sagt Jesus. Diese Familie der Heiligen ist genau so wahr wie unsere irdische Familie, und sie ist dazu berufen, nie zu verschwinden. Van ist sich durchaus dieser Familie der Gemeinschaft der Heiligen, der wir schon durch die Gnade angehören, bewusst und stützt sich in seinem Leben darauf. Gewiss, seine Beziehung zu Therese ist aussergewöhnlich. Aber das Aussergewöhnliche geht in diesen Gesprächen auf Vans ausserordentliche Schwachheit zurück: Jesus hat es ihm gesagt und das gilt auch für die Jungfrau Maria und die hl. Therese vom Kinde Jesu. Die Art, wie das geschieht, gilt nur für Van, aber die Beziehung zu den Heiligen ist jedem angeboten. Therese drückt ihre Verbindung zu Van mit rein theologischen Worten aus:"Gott hat geruht, mir zu gestatten, dich schon seit langem zu kennen, das heisst schon vor deiner Existenz. Dein Leben hat im geheimnisvollen Blick der Göttlichkeit Form angenommen und ich habe dich gesehen im Licht, das von diesem geheimnisvollen Blick ausgeht. Ich habe dich gesehen und Gott hat mich beauftragt, als Schutzengel deines Lebens über dir zu wachen. Ich war bei dir, ich bin dir auf Schritt und Tritt gefolgt wie eine Mutter ihrem Kinde"(Gespräche 590).

So handeln die Heiligen für uns und mit uns in einer stets einzigartigen Weise für einen jeden. Es ist selten, dass in einem christlichen Leben diese oder jene Heiligenfigur nicht einen bevorzugten Platz einnimmt, oder es mal zu einer Begegnung unter dem Anschein des Zufalls gekommen ist. Es gibt jene, die wir kennen, aber auch andere, die wir nicht kennen, die aber dennoch für uns da sind. Van, der vielleicht für einige von uns einer von diesen ist, lädt uns ein, diesen Umständen Aufmerksamkeit zu schenken und diese Beziehung der barmherzigen Liebe entschieden auszubauen. Sicher sind nicht alle berufen, so enge Bande zu knüpfen wie Van und Therese, aber greifen wir der Tiefe der barmherzigen Liebe, in die sie uns versenken wollen, nicht vor. Anfangs haben wir mit Georges Bernanos festgestellt:"Die meisten Heiligen sind Kinder." Folgen wir ihnen in diesem Geist der Kindheit, um mit ihnen wie mit Freunden unterwegs zu sein.

Im Herzen der Gemeinschaft der Heiligen und an deren Spitze ist die Jungfrau Maria eine der bevorzugten Partnerinnen Vans. Maria ist die Beschützerin der göttlichen Kindlichkeit, weil sie deren Mutter ist. Therese sagt zu Van:"Wir sind noch beide in Marias Armen, du brauchst also nicht zu befürchten, dass wir jemals voneinander getrennt werden" (Gespr. 386). In einer wahren Kindschaftsbeziehung wendet sich Van zu Maria mit folgenden Worten:"O Maria, du bist meine Mutter, und im Himmel werde ich dir, wie auf Erden, den Namen Mutter geben. Ich will dich weder 'Königin' noch 'Unsere Liebe Frau' nennen. Um mich an dich zu wenden und dich anzurufen, kann ich nur den Namen Mutter gebrauchen"(Gespr. 245). Und Maria antwortet:" Ja, ich bin wahrhaftig deine Mutter und nichts gefällt mir besser als festzustellen, dass du mich lauteren und aufrichtigen Herzens liebst. Ich erkenne dich an als mein Herzenskind, ich trage dich auf dem Arm, ich bringe dich dem kleinen Jesus dar und er wird dich im Feuer der Liebe verzehren, während du nach dem Beispiel der kleinen Therese vom Kinde Jesu der Liebe als Sühneopfer, das der kleine Jesus annehmen wird, dargebracht wirst."(Gespr. 248). Im Geist der Kindheit sind die Heiligen unsere Brüder und Schwestern und die Jungfrau Maria unsere Mutter. Wenn sie ihre Mutterschaft uns gegenüber ausübt, gebiert sie uns, gibt sie uns wie Kleinkindern das göttliche Leben. Weshalb? Weil sie selbst jünger ist als alle Heiligen. Geben wir noch einmal Georges Bernanos das Wort, der das besser ausgedrückt hat, als wir es tun könnten: "Unser armseliges Menschengeschlecht taugt nicht viel, aber die Kindheit vermag ihn stets zu rühren, die Unwissenheit der Kleinen veranlasst ihn, seine Augen niederzuschlagen - seine Augen, die von Gut und Böse wissen, seine Augen, die so viel gesehen haben! Aber schliesslich ist es nur die Unwissenheit! Die hl. Jungfrau war die Unschuld. Lege dir Rechenschaft ab, was wir, das Menschengeschlecht, für sie darstellen! Ja gewiss, sie verabscheute die Sünde, aber sie hat diese Erfahrung, durch die auch die grossen Heiligen gegangen sind, sogar der engelhafte Heilige von Assisi, nie gemacht. Der Blick der hl. Jungfrau ist der einzige wahre Kinderblick, der nicht auf unsere Schande und unser Unglück fällt. Ja, mein Kleiner, um gut zu beten, muss dieser Blick auf uns ruhen, ein Blick, der nicht ganz der der Nachsicht ist, denn Nachsicht geht mit einer bitteren Erfahrung einher, sondern ein Blick voll zartem Mitleid, schmerzlicher Ueberraschung und eines unfassbaren, unaussprechlichen Gefühls, das sie jünger macht als die Sünde, jünger als das Geschlecht, aus dem sie hervorgegangen ist, so dass sie, obschon sie Mutter aus Gnade wurde, Mutter der Gnaden, die Jüngste des Menschengeschlechts ist ((Tagebuch).

Die wahre Kindheit ist das, was in uns nichts mit der Sünde zu tun hat, was unschuldig geblieben ist oder es wieder wird, was von der Gnade berührt wurde. Aus diesem Grunde ist die hl. Jungfrau mehr Kind als alle Kinder Gottes und ihm am nächsten. Uns in diesem Geist der Kindlichkeit vorausgehend, führt sie uns zu diesem Ziel und hilft uns in dieser Gesinnung zu leben.

In diesem Leben im Herzen der Gesellschaft der Kinder Gottes, ist Van nicht nur Empfänger. Sehr schnell wird er seinerseits zur Quelle für andere. Es geht hier um die Unentgeltlichkeit des Geistes der Kindheit. Wenn die Selbstsucht nicht aufkommt, verschenkt sich das Kind, ohne zu rechnen, und ohne auf sich selbst zurückzublicken. Die Haltung der Hingabe, der dritte Aspekt, den ich hervorheben möchte, hat Van schon sehr jung gekannt. Weil er Barmherzigkeit ausstrahlt ist er für jene, die sich für die Finsternis entschlossen haben, unerträglich." Das Licht kam in die Welt, und die Menschen liebten die Finsternis mehr als das Licht, denn ihre Taten waren böse. Jeder der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zum Licht, damit seine Taten nicht aufgedeckt werden. Wer aber die Wahrheit tut, kommt zum Licht, damit offenbar wird, dass seine Taten in Gott vollbracht sind" (Joh 3,19-21). Sei es in den Jahren des Elends in Huu-Bang oder Quang-Uyên, während der weniger düsteren Jahre in Langson oder Hanoi, bis hin zu den letzten Jahren im Lager von Yen Binh, Van hat sich stets wie ein Kind jenen hingegeben, die mit ihm auf dem Weg waren, den Kindern, für die er eine grosse Vorliebe hatte, aber auch all seinen Mitmenschen. Man erinnere sich an seine Haltung mit seinem Freund Hiên in Quang Uyên gegenüber, den er anhand der Unterweisungen durch Therese belehrt und dessen geistlicher Bruder und Begleiter er wird, Hiên, der ersten Blume der Jahreszeit, wie er sich ausgedrückt hat. Man erinnere sich vor allem an das Apostolat der Kinder, zu dem Jesus ihn ganz besonders berufen hat:"Ich habe eine Vorliebe für die Kinder. Ich bin glücklich, ihr Freund zu sein. Sie haben es leicht, mich zu finden, denn sie brauchen nur ihr eigenes Verhalten zu prüfen, um mich in ihnen zu finden. Ich habe den Kindern schon das Himmelreich versprochen. (...) Sie brauchen es nur anzunehmen" (Gespr. 377). Marcel, du sollst dein Apostolat bei den Kindern ausüben. (...) Aber, Marcel, es scheint, dass die Kinder es jetzt durch ihr Vorgehen mit den Erwachsenen aufnehmen wollen. Am schlimmsten ist, dass die Welt sie gewöhnlich eher die Sünde als mich kennen lehrt. Mein Leben als Kleinkind kann sogar ein ganz Kleines, das kaum laufen kann, nachvollziehen. Ich bin der wahre Weg, der die Menschen in den Himmel führt." (Gespr. 376-377). Van ist und bleibt ein bevorzugter Apostel der Kinder. Er ist auch für einen jeden der Apostel der geistlichen Kindschaft, indem er einen jeden ersucht, in sich das Reich der Kindschaft zu entdecken, die Zugangstür zu Christus und zum Himmelreich.

Lasst uns hier den Weg beenden, den wir mit Van zurückgelegt haben, auf dem wir vor allem versucht haben, die Sprache der Kindlichkeit wiederzufinden, die auf seinen lächelnden Lippen war und die aus den Schriften hervorgeht, die er uns hinterlässt. Vergessen wir nicht, dass es sein Wunsch war, Theresens Namen zu tragen oder wenigstens Marcel vom Kinde Jesu zu heissen. Obwohl ihm das nicht ermöglicht wurde, dürfen wir festhalten, dass er das, dessen Namen er tragen wollte, verkörpert hat.

Möge er uns in der Gemeinschaft der Heiligen helfen, mit unserem Leben das zu bezeugen und dem "Kind das wir waren" treu zu bleiben. Mit Van auf dem Weg können wir das Wort Christi an seinen Vater uns zu Eigen machen: "Ich preise dich Vater, Herr des Himmels und der Erde, dass du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast".

 
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